diedelroth.de | Leidenschaft
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leidenschaft

als ich ihn kennenlernte, es war wohl vor acht jahren, sammelte er kugelschreiber. sie standen, mit der klemmvorrichtung nach oben, dicht gedrängt in weckgläsern und dosen. auffällig war, dass sich die sammlerleidenschaft nicht etwa darin äußerte, unterschiedliche modelle wie: rotring, geha, pelikan etc. zusammenzutragen. auch ein system, das vermuten ließ, die kugelschreiber wären nach farbnuancierungen geordnet, war nicht zu erkennen. einzelne trugen zwar aufschriften: thiele zigarren, lauterbach reisebüro, mobil das ist öl, aber sie bildeten nur eine ausnahme in den vollgepfropften dosen und gläsern. er besaß diese kugelschreiber einfach. kaufte sie in zehnerpacks, wie ich nebenbei erfuhr, manchmal im sonderangebot ortsansässiger kaufhäuser, doch meist wahllos. sah er welche oder einen einzelnen, die oder der ihm zusagte – obwohl die kriterien nach denen er wählte, mir verborgen blieben – ging er, legte den entsprechenden kaufpreis auf den ladentisch, trug die erstandenen schätze heim, zog sich in sein zimmer zurück, entnahm die kugelschreiber vorsichtig der originalverpackung, betrachtete sie stolz stück für stück in seiner hand, den daumen auf der druckvorrichtung. nachdem er die verpackung,meist plastikschachtelchen feinsäuberlich, man kann sagen mit akuratesse im wandregal verstaut hatte, in dem sich zig, ich will nicht übertreiben, stapelten – die obersten alle mit einer feinen staubschicht überzogen – entnahm er einem hohen stapel schreibpapier ein blatt und schrieb mit den neuerstandenen kugelschreibern seinen namen darauf, vor- und zunamen, dann zwängte er die neuen in die gläser oder dosen, je nach dem wo er platz fand, waren diese jedoch voll, legte er neue an. einmal fragte ich ihn, ob er mir wohl für einen augenblick einen kugelschreiber leihen könnte, er sah mich mit großen augen an und  schüttelte nur langsam den kopf. er sagte, ich könne ja seinen vater drum bitten, der habe bestimmt einen. kurz darauf reiste ich ab und verlor ihn aus den augen. neulich war ich wieder in der gegend, ging durch die einkaufsstraße, sah in die schaufenster der geschäfte, und da erblickte ich ihn; ein wenig hatte er sich schon verändert, doch nicht gravierend. ich erkannte ihn sofort. er stand vor einem schreibwarengeschäft und starrte in die scheibe, kurz darauf ging er hinein. ich hörte noch das klingeln, das den kunden anzeigte.